23.9.05

Idole

In einem "Zwischenruf" würdigt SPIEGEL ONLINE das dreißigjährige Firmenjubiläum von Microsoft, allerdings nicht fehler- und mythenfrei.

Netzwelt-Redakteur Frank Patalong schreibt:
"DOS" hieß damals alles, was Diskettenlaufwerke oder Festplatten zum Laufen brachte, doch sollte es MS-DOS sein, das den Weg von den Büros in die Wohnungen bis hinein ins Kinderzimmer fand.
Tatsächlich hieß damals - in den frühen 1980er Jahren - das wichtigste, rechnerübergreifende PC-Betriebssystem, gegen das MS-DOS antrat und dessen Interna es abkupferte, CP/M. (Von größeren Betriebssystemen wie Unix und VMS, die auch nicht "DOS" hießen, ganz zu schweigen.)

Ansonsten strickt der Artikel einen falschen Mythos von Microsoft als anfänglich cooler Firma:
Bill Gates war ein Held, ein Idol. [...] Microsofts Ruhm blieb, trotz verspäteter Innovationen, unzähliger Abstürze, instabiler erster Windows-Versionen und zunehmender Aggressivität am Markt, lange makellos.
Tatsächlich bekam Microsofts Reputation schon 1976, ein Jahr nach der Firmengründung und ein halbes Jahrzehnt vor DOS, Kratzer. Im berühmten "Open Letter to Hobbyists" ließ Bill Gates keine Zweifel an seiner Geschäftspolitik und verscherzte es sich mit der frühen Heimcomputer-Szene, als er das Kopieren seiner Software als Diebstahl brandmarkte:
"Most of you steal your software. [...] Most directly, the thing you do is theft".
Dies nahm den heutigen Copyright-Kulturkampf um digitale Medien vorweg und machte Gates und Microsoft schon früh zum Feindbild von Computerfreaks.

Nachtrag
Auf Heise Online erschien vor Monaten eine detaillierte Chronik der Anfangsjahre von Microsoft, der zufolge man den Firmengeburtstag auch auf den 1. Juli datieren kann, als Gates' Altair BASIC 2.0 ausgeliefert wurde, oder den 29.11., als mit einer Zeitungsanzeige der Name "Micro-Soft" kreiert wurde.

Zweiter Nachtrag
Der ausgezeichnete Industrial Technology & Witchcraft-Blog widerlegt die Behauptung, dass Microsoft als Garagenfirma angefangen habe, und entlarvt damit eine weitere Mythenproduktion des SPIEGEL ONLINE-Artikels.